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Wir wir über uns hinauswachsen

 


Über sich hinauswachsen – Die Kraft des menschlichen Willens

Gestern Abend saßen Millionen von Menschen gebannt vor dem Fernseher, als die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft gegen Frankreich spielte. Es war kein einfaches Spiel. Die Mannschaft geriet unter Druck, kämpfte sich zurück, erreichte mit eisernem Willen die Verlängerung – und triumphierte schließlich im Elfmeterschießen.

Solche Momente berühren uns tief. Sie zeigen uns, wozu Menschen fähig sind, wenn sie über sich hinauswachsen. Doch ist diese außergewöhnliche Leistungsfähigkeit wirklich nur dem Spitzensport vorbehalten? Oder begegnet sie uns nicht auch im ganz normalen Alltag?

Ein Blick hinter die Kulissen des Willens

Als psychologischer Berater sehe ich es häufig: Menschen wachsen in schwierigen Momenten über sich hinaus. Ob im Spitzensport oder in der Familie – der Schlüssel ist der menschliche Wille. Er ist die innere Kraft, die uns dazu bringt, nicht aufzugeben, neue Wege zu finden, weiterzumachen, obwohl alles in uns schreit: „Ich kann nicht mehr!“

Im Sport ist das offensichtlich – eine Mannschaft kämpft gegen Erschöpfung, Schmerz, Druck. Aber auch eine vierköpfige Familie, die sich Tag für Tag durch Schule, Arbeit, Haushalt, Erziehung und Beziehungen navigiert, leistet Erstaunliches. Manchmal ohne Applaus, ohne Stadion, ohne Pokal – aber mit nicht weniger Kraftaufwand.

Familie als Alltags-Champions

Stellen wir uns vor: Eine Mutter, die früh zur Arbeit fährt, vorher Brotdosen richtet, die Kinder weckt und Streit schlichtet. Ein Vater, der abends trotz Stress im Job geduldig Mathe mit dem Sohn übt. Zwei Kinder, die zwischen Schulaufgaben, Hobbys und sozialen Herausforderungen jonglieren. Diese Familie steht – wie das Nationalteam – vor täglichen Herausforderungen, die Koordination, Ausdauer, Zusammenhalt und Willensstärke erfordern.

Auch hier gilt: Der Wille macht den Unterschied.

Wie entsteht dieser Wille?

Willenskraft ist keine magische Gabe, sondern ein komplexes Zusammenspiel psychologischer und biochemischer Prozesse.

Psychologisch betrachtet speist sich Willenskraft aus Motivation, Zielorientierung und Selbstwirksamkeit. Menschen, die überzeugt sind, dass ihr Handeln etwas bewirkt, aktivieren automatisch mehr Energie. Teamgeist, Sinnhaftigkeit und positive Rückmeldungen stärken diese Kraft zusätzlich.

Neurologisch-biochemisch spielen bestimmte Botenstoffe im Gehirn eine entscheidende Rolle. Wenn wir uns anstrengen, werden Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin ausgeschüttet. Diese Neurotransmitter steigern unsere Aufmerksamkeit, beschleunigen Reaktionszeiten und erhöhen die körperliche Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig wird Cortisol freigesetzt, um Energiereserven zu mobilisieren – kurzfristig ein großer Vorteil, langfristig allerdings belastend.

Beim Sport wie im Familienleben aktiviert unser Körper also ein Notfallprogramm, das uns über unsere normalen Grenzen hinaustragen kann. Voraussetzung: Wir wollen es wirklich. Und wir glauben daran.

Wie kann dieser Wille beeinflusst werden?

Willenskraft ist trainierbar – genau wie ein Muskel. Hier einige Strategien aus der psychologischen Beratung:

  • Klare Ziele formulieren: Wer weiß, wofür er kämpft, bleibt motivierter.

  • Positive Routinen entwickeln: Kleine, tägliche Erfolge stärken das Gefühl von Kontrolle und Wirksamkeit.

  • Sinn erleben: Ob im Team oder in der Familie – gemeinsam Ziele zu verfolgen, schafft Tiefe.

  • Selbstfürsorge nicht vergessen: Pausen, Schlaf, gesunde Ernährung – sie fördern die Regeneration und erhalten die Willenskraft.

  • Ressourcen erkennen: Wer weiß, was ihm gut tut (z. B. Bewegung, Gespräche, Musik), kann sich gezielt „aufladen“.

Welche Bedeutung das für uns hat?

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hat gestern ein beeindruckendes Beispiel dafür geliefert, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie an sich glauben und als Team zusammenhalten. Doch das gleiche Potenzial tragen wir alle in uns – auch in scheinbar unspektakulären Lebensbereichen.

Als psychologischer Berater in der Interaktionsagentur Schardt-Hof sehe ich es als meine Aufgabe, Menschen – Einzelpersonen wie Familien – dabei zu unterstützen, diese innere Kraft zu erkennen, zu stärken und nachhaltig zu nutzen.

Denn der Sieg beginnt nicht auf dem Rasen oder im Büro – sondern in uns selbst.